Ist das Ende freier Internet-Foren in Sicht?
Karine Solovieff, 01net., am 31.05.2002 um 16Uhr51
Erstmals hat die Justiz Webmaster von persönlichen Websites aufgrund verleumderischer Aussagen von Internetnutzern in ihren Foren verurteilt.
Anfang der Woche hat die Justiz in zwei Prozessen die Webmaster von persönlichen Websites aufgrund von verleumderischen Mails, die in ihren Foren gesendet wurden, verurteilt. Dagegen wurden weder die Personen, die diese Mails gesendet haben, noch der Hoste der Website angeklagt.
Die erste am 27. Mai entschiedene Affäre stellte den europäischen Pfadfinderverband und zwei Studenten gegenüber, die eine satirische persönliche Website mit dem Titel „Bund zum Schutz der Pfadfinder Europas“ ins Netz gebracht hatten. Im goldenen Buch der Website wurde der Verband von Mails, in denen die Pfadfinder mit Nazis gleichgesetzt wurden, verunglimpflicht.
Der Verband hat 0,15 Euro Schadenersatz erhalten, während die Webmaster letzten Montag vom Landgericht in Rennes zu 1.000 Euro Geldbube auf Bewährung verurteilt wurden.
Die zweite Angelegenheit dieser Art betrifft Pere-noel.fr und die Verantwortlichen der Site Defense-consommateur.org. Der Vorsitzende des Landgerichts in Lyon war der Ansicht, dass die Webmaster für die Überwachung der auf ihrem Forum erfolgten schriftlichen Meinungsäuberungen zu sorgen hätten. Sie wurden verurteilt, da sie die Veröffentlichung von verleumderischen Mails und Beleidigungen zugelassen haben. Die als Schadenersatz verlangte Summe erreicht in diesem Fall 80000 Euro.
Zwei gegensätzliche Präzedenzfälle
Diese gerichtlichen Entscheidungen stellen einen Wendepunkt in der französischen Rechtsprechung dar.
Die Richter waren der Ansicht, dass hier das Gesetz über die Pressefreiheit von 1881 gelte. Dieses sieht vor, dass der Leiter einer Publikation im Falle einer Verleumdung zivilrechtlich und strafrechtlich verantwortlich ist. Gibt es keinen derartigen Publikationsleiter, wird der Verantwortliche der Website zur Haftung gezogen.
Dagegen fiel das Urteil in einer ähnlichen im Februar entschiedenen Angelegenheit hinsichtlich des Herausgebers Finance Net der Website „Boursorama“ völlig anders aus. « Der stellvertretende Vorsitzende des Landgerichts in Paris war damals der Meinung, dass man sich hier im Rahmen des Gesetzes über die Internet-Hostes vom 1.August 2000 befände», berichtet der Fachjurist Lionel Thoumyre.
Dieses Gesetz legt fest, dass ein Internet-Leistungserbringer nur dann zivilrechtlich oder strafrechtlich für die Inhalte seiner Leistungen zur Haftung gezogen werden kann, wenn er, von einer gerichtlichen Behörde dazu aufgefordert, nichts unternimmt, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern.
Nachdem Finance Net die Meinungsäuberungen gelöscht und Warnsysteme eingerichtet hatte, war der stellvertretende Vorsitzende des Gerichts der Ansicht, dass das Gesetz eingehalten wurde.
Eine neue « Lacambre-Affäre » in Sicht
Die beiden gerichtlichen Entscheidungen werden mit Sicherheit Wellen schlagen, denn die meisten französischen Internet-Foren werden nicht moderiert. Alle Forumsverwalter, Webmaster von persönlichen Websites mit einem goldenen Buch sowie die Herausgeber von Online-Zeitungen müssen sich von nun an bewusst sein, welche Risiken sie auf sich nehmen, wenn sie nicht kontrollieren, was auf den Foren ausgetauscht wird.
Valentin Lacambre, kostenloser Host von Altern.org wurde 1998 für die auf einer seiner persönlichen Sites beherbergten Fotos verurteilt. Damals war der Richter der Ansicht, dass der Host-Provider mit einem Publikationsleiter gleichzustellen sei und somit dem Presserecht unterläge.
Der dieser Verurteilung folgende Aufruhr veranlasste den Gesetzgeber dazu, das Gesetz vom 1. August 2000 zu verabschieden, um die technischen Bindeglieder einer Internetpublikation rechtlich abzusichern.
Trotzdem gibt es Grenzen, irgendein Forum aufgrund von Verleumdung gerichtlich zu verfolgen.
Das Gesetz aus dem Jahre 1881 über die Pressefreiheit ist nämlich durch eine Verjährungsfrist eingeschränkt. So kann zum Beispiel keine Klage erhoben werden gegen Meinungsäuberungen, die länger als drei Monate zurückliegen.
« Jedoch muss man Beginn und Ende des Zeitraums, der der Verjährung unterliegt, ganz genau kennen », warnt Jean-Claude Patin, Leiter von Juritel. « Die Webmaster müssen trotzdem ein Minimum an Seriosität aufweisen, denn es ist natürlich schwierig einen derartigen Nachweis zu liefern», gibt er abschliebend zu denken.
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